Prolog

Manchmal ist es die Ruhe selbst, die den grĂ¶ĂŸten LĂ€rm macht.
Ein Abend im Wald, ein Feuer, das leise knistert, und plötzlich wird aus der Stille eine BĂŒhne. Captain Faulmann sitzt da, die SchiebermĂŒtze tief im Fell, und Meister Mummrich pafft gemĂŒtlich seine Pfeife. Eigentlich kann hier nichts passieren – und genau darin liegt das Problem.

Denn wo nichts geschieht, schleicht sich etwas anderes heran: die Langeweile.

Und mit ihr eine merkwĂŒrdige Gesellschaft, die sich an diesem Abend am Feuer versammelt



„Hier kann dir nichts passieren, Mummrich. Kein Regen, kein Wolf, kein JĂ€ger. Nur Stille.“ Meister Mummrich blies Rauch in die Dunkelheit, nickte bedĂ€chtig und sagte: „Gerade das ist die Gefahr, BĂ€r. Wenn nichts mehr passiert, kriecht sie heran – die Langeweile.“

Und tatsĂ€chlich huschte ein Schatten durch den Wald, raunte grummelig: „Pendel, Pendel
“ – und verschwand wieder.

Faulmann lachte brummend und sprach: „Der alte SchwarzwĂ€lder mit braunem Schatten – den du so gern zitierst –, der hatte doch auch was dazu zu sagen?“ Mummrich nickte ernst. „Oh ja. Er hĂ€tte dich durch drei WĂ€lder geschickt: erst das Warten – wie am Bahnhof; dann die Leere-nach-dem-Fest; und schließlich die tiefe Langeweile, wo alles gleichgĂŒltig wird und du plötzlich fragst: Warum ĂŒberhaupt etwas ist – und nicht vielmehr nichts?“

In diesem Moment schien ein alter Wanderer mit zerfleddertem Fahrplan ans Feuer zu treten. Er legte ihn schweigend in die Glut, murmelte: „Bahnhof. Abendgesellschaft. Abgrund.“ – und verschwand.

Faulmann blinzelte. „Mummrich
 hast du das auch gesehen?“ „Ach“, schmunzelte der Maulwurf, „der kommt öfter mal vorbei, wenn die Glut ruhig ist.“

Da wehte ein schwarzer Manntel durch die Lichtung, schĂŒttete eine Handvoll Ruß ins Feuer und sprach mit dunkler Stimme:
„Ennui
 die SchwĂ€rze frisst selbst das Licht der Sterne.“

Kurz darauf folgte einer, der sich an den Bauch griff und knurrte:
„Verdammt
 diese Freiheit macht mir schlecht.“

Faulmann zog die SchiebermĂŒtze tiefer. „Meine Langeweile riecht nach Holzrauch und Tee. Die ihre stinkt nach Stadt und Magenweh. Ich weiß, welche ich lieber einlade.“

Noch ehe die Glut erlosch, trat ein drahtiger Mann mit wirrem Blick aus dem Schatten. Den Wanderstab in der Hand, warf er Funken ins Feuer und rief:
„Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebĂ€ren zu können!“ Dann lachte er hell, und die Schatten der BĂ€ume schienen kurz zu tanzen.

Hinter ihm trat ein weiterer hervor, nervös Karten mischend, die er schließlich fallen ließ. „Alles nur divertissement
 Spiele, Jagd, Ablenkung. Damit wir das Nichts nicht sehen.“ Der Wind wehte die Karten davon.

Am Rand der Lichtung stand plötzlich ein stiller Mann im Mantel – als hĂ€tte ihn die Nacht selbst geschickt. Er sah nicht ins Feuer, sondern ins Dunkel, und sprach leise: „Verzweiflung
 das ist die Krankheit zum Tode.“ Dann drehte er sich um und verschwand.

Schließlich wehte ein leiser Wind, und mit ihm ein Mann, der BlĂ€tter voller Notizen trug heran. Er sah ĂŒber die Flammen hinweg und flĂŒsterte: „Der Engel der Geschichte
 er blickt zurĂŒck, wĂ€hrend der Sturm der Zukunft ihn vorwĂ€rts treibt.“ Dann lösten sich seine Zettel im Rauch auf, als wĂ€re er selbst aus Papier gewesen.

Faulmann und Mummrich saßen wieder allein am Feuer. Der BĂ€r schmunzelte, brummte zufrieden und legte noch ein StĂŒck Holz nach. „Wenn das die Langeweile ist, Mummrich, dann lass sie ruhig kommen. „So ein nĂ€chtlicher Maskenball im Wald – der ist mir lieber als jede Stadtgesellschaft.“ Mummrich grinste und zog an seiner Pfeife. Das Feuer knackte, und ĂŒber den Wipfeln stand der Mond wie eine weiße Uhr, die nichts von Eile wusste. Und Faulmann brummte leise – als hĂ€tte er die Zeit selbst verstanden.


đŸ» Fazit

Manchmal sind es nicht die Wölfe, die uns Angst machen, sondern die Stimmen, die aus der Stille kommen. Sie reden von Pendeln, AbgrĂŒnden und Engeln, von SchwĂ€rze, Freiheit und Verzweiflung. Und doch – am Ende bleibt nur das Knistern des Feuers, der Geschmack von Tee und der Mond, der keine Eile kennt. Vielleicht ist genau das der Trost:

Dass selbst die Langeweile, wenn man ihr einen Platz am Feuer gibt, zur ErzÀhlerin wird.