đČ Am Lagerfeuer â Wenn die Langeweile GĂ€ste bringt
Prolog
Manchmal ist es die Ruhe selbst, die den gröĂten LĂ€rm macht.
Ein Abend im Wald, ein Feuer, das leise knistert, und plötzlich wird aus der Stille eine BĂŒhne. Captain Faulmann sitzt da, die SchiebermĂŒtze tief im Fell, und Meister Mummrich pafft gemĂŒtlich seine Pfeife. Eigentlich kann hier nichts passieren â und genau darin liegt das Problem.
Denn wo nichts geschieht, schleicht sich etwas anderes heran: die Langeweile.
Und mit ihr eine merkwĂŒrdige Gesellschaft, die sich an diesem Abend am Feuer versammeltâŠ
âHier kann dir nichts passieren, Mummrich. Kein Regen, kein Wolf, kein JĂ€ger. Nur Stille.â Meister Mummrich blies Rauch in die Dunkelheit, nickte bedĂ€chtig und sagte: âGerade das ist die Gefahr, BĂ€r. Wenn nichts mehr passiert, kriecht sie heran â die Langeweile.â
Und tatsĂ€chlich huschte ein Schatten durch den Wald, raunte grummelig: âPendel, PendelâŠâ â und verschwand wieder.
Faulmann lachte brummend und sprach: âDer alte SchwarzwĂ€lder mit braunem Schatten â den du so gern zitierst â, der hatte doch auch was dazu zu sagen?â Mummrich nickte ernst. âOh ja. Er hĂ€tte dich durch drei WĂ€lder geschickt: erst das Warten â wie am Bahnhof; dann die Leere-nach-dem-Fest; und schlieĂlich die tiefe Langeweile, wo alles gleichgĂŒltig wird und du plötzlich fragst: Warum ĂŒberhaupt etwas ist â und nicht vielmehr nichts?â
In diesem Moment schien ein alter Wanderer mit zerfleddertem Fahrplan ans Feuer zu treten. Er legte ihn schweigend in die Glut, murmelte: âBahnhof. Abendgesellschaft. Abgrund.â â und verschwand.
Faulmann blinzelte. âMummrich⊠hast du das auch gesehen?â âAchâ, schmunzelte der Maulwurf, âder kommt öfter mal vorbei, wenn die Glut ruhig ist.â
Da wehte ein schwarzer Manntel durch die Lichtung, schĂŒttete eine Handvoll RuĂ ins Feuer und sprach mit dunkler Stimme:
âEnnui⊠die SchwĂ€rze frisst selbst das Licht der Sterne.â
Kurz darauf folgte einer, der sich an den Bauch griff und knurrte:
âVerdammt⊠diese Freiheit macht mir schlecht.â
Faulmann zog die SchiebermĂŒtze tiefer. âMeine Langeweile riecht nach Holzrauch und Tee. Die ihre stinkt nach Stadt und Magenweh. Ich weiĂ, welche ich lieber einlade.â
Noch ehe die Glut erlosch, trat ein drahtiger Mann mit wirrem Blick aus dem Schatten. Den Wanderstab in der Hand, warf er Funken ins Feuer und rief:
âMan muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebĂ€ren zu können!â Dann lachte er hell, und die Schatten der BĂ€ume schienen kurz zu tanzen.
Hinter ihm trat ein weiterer hervor, nervös Karten mischend, die er schlieĂlich fallen lieĂ. âAlles nur divertissement⊠Spiele, Jagd, Ablenkung. Damit wir das Nichts nicht sehen.â Der Wind wehte die Karten davon.
Am Rand der Lichtung stand plötzlich ein stiller Mann im Mantel â als hĂ€tte ihn die Nacht selbst geschickt. Er sah nicht ins Feuer, sondern ins Dunkel, und sprach leise: âVerzweiflung⊠das ist die Krankheit zum Tode.â Dann drehte er sich um und verschwand.
SchlieĂlich wehte ein leiser Wind, und mit ihm ein Mann, der BlĂ€tter voller Notizen trug heran. Er sah ĂŒber die Flammen hinweg und flĂŒsterte: âDer Engel der Geschichte⊠er blickt zurĂŒck, wĂ€hrend der Sturm der Zukunft ihn vorwĂ€rts treibt.â Dann lösten sich seine Zettel im Rauch auf, als wĂ€re er selbst aus Papier gewesen.
Faulmann und Mummrich saĂen wieder allein am Feuer. Der BĂ€r schmunzelte, brummte zufrieden und legte noch ein StĂŒck Holz nach. âWenn das die Langeweile ist, Mummrich, dann lass sie ruhig kommen. âSo ein nĂ€chtlicher Maskenball im Wald â der ist mir lieber als jede Stadtgesellschaft.â Mummrich grinste und zog an seiner Pfeife. Das Feuer knackte, und ĂŒber den Wipfeln stand der Mond wie eine weiĂe Uhr, die nichts von Eile wusste. Und Faulmann brummte leise â als hĂ€tte er die Zeit selbst verstanden.
đ» Fazit
Manchmal sind es nicht die Wölfe, die uns Angst machen, sondern die Stimmen, die aus der Stille kommen. Sie reden von Pendeln, AbgrĂŒnden und Engeln, von SchwĂ€rze, Freiheit und Verzweiflung. Und doch â am Ende bleibt nur das Knistern des Feuers, der Geschmack von Tee und der Mond, der keine Eile kennt. Vielleicht ist genau das der Trost:
Dass selbst die Langeweile, wenn man ihr einen Platz am Feuer gibt, zur ErzÀhlerin wird.