Faulmann und der Aufzug des Jahrhunderts
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Es gibt Museumsstücke, mit Absicht in Szene gesetyt: Vitrinen, Spotlights, Beschriftungen, die mehr Text als Objekt bieten. Und dann gibt es das MAKK, wo manchmal die unscheinbarsten Dinge die lautesten Gedanken produzieren.
Sonntag, grausliges Wetter, Bahnhof gesperrt, Herbstfrust und bärige Unlust. Und doch machte sich der Bär auf, um zumindest ein bisschen rauszukommen. Linie 9, Linie 5, ein schneller Kaffee vor dem Merzenich, ein paar Touristen beobachtet — und dann ab ins MAKK; schreiben und vielleicht noch etwas Schmuck ansehen.
Aber dann kam alles anders.
Captain Faulmann hatte in selbigem schon vieles gesehen: Möbel, die so minimalistisch waren, dass sie fast verschwanden; Telefone, die wie kleine Denkmäler der Kommunikation wirkten; Stühle, die aussahen wie pädagogische Vorträge in Holzform.
Aber nichts bereitete ihn auf das vor:
„Aufzug – 20. Jahrhundert“
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Keine Erklaerung, keine Shi-Shi, keine Kontexttafel.
Einfach eine Zuordnung.
Nicht, wohin der Aufzug führt, sondern was er ist.
Je länger er hinsah, desto klarer wurde ihm nicht nur ein klassischer Beaumont-Moment, sondern auch die tiefe Ironie dahinter:
Der Aufzug wird völlig zurecht nicht nur als Transportmittel, sondern als Exponat begriffen.
Ein funktionierendes, alltägliches, unaufgeregtes Zeugnis jener Epoche, die man gerne mit Bauhaus, Stahlträumen und Technikutopien verbindet – und die sich am Ende so oft auf Edelstahlfronten, dicke Schrauben und rot glühende LED-Anzeigen konzentrierte.
So stand er nun da: ein monumentales Stück Pragmatismus.
Ein Jahrhundert im Edelstahlrahmen.
Knopf, Anzeige, Schlüssel.
Form follows Function in Reinform.
Und plötzlich passte alles.
Das 20. Jahrhundert war schließlich die Zeit, in der Technik nicht bewundert, sondern benutzt werden wollte und wurde. Ein Aufzug, der sich selbst ausstellt, indem er einfach weiterfährt, ist dafür das perfekte Sinnbild.
Kein Stillstand, kein Sockel — stattdessen:
Bitte einrollen.
Thyssen und die Ironie der industriellen Erinnerung
Wer auf dieses Schild blickt, sieht unweigerlich auch die größere Ironie der Industriegeschichte.
Die große Ära der deutschen Stahl- und Montankonzerne – die Schlote, die Hochöfen, Systeme, die ein Jahrhundert strukturierten – ist heute vor allem durch eines präsent: Aufzüge.
Thyssen (Krupp), einst Synonym für Schwerindustrie, Weltmarktambitionen, historische Verstrickungen und ein Waffenwerk „too big to fail“, ist im öffentlichen Bewusstsein heute schlicht:
„Die Firma, die die Aufzüge im Einkaufszentrum baut.“
(Nur eben nicht im MAKK — dort macht das Schindler.)
Eine ganze Industriegeschichte verdichtet zu türöffnenden Kabinen und vertikalem Komfort.
Das 20. Jahrhundert schrumpft auf zwei existentielle Tasten — ▲ oder ▼ — und auf kleine LEDs, die das Fortschrittsversprechen von gestern weiterhin brav anzeigen.
Genau deshalb passt es so gut, dass dieser Aufzug im MAKK als Exponat markiert ist.
Nicht, um Nostalgie zu erzeugen, sondern um zu zeigen, wie unmittelbar und banal — auch im Sinne Ahrendts — dieses Jahrhundert oft war.
Es wollte hoch hinaus, aber es tat es in Quadraten aus Edelstahl.
Ein Jahrhundert zum Betreten
Der Aufzug im MAKK ist kein historisches Objekt.
Er ist ein Zeiger auf dass, das historisch wurde, ohne sich zu verändern — ganz wie manche ewiggestrigen Ideen.
Er steht nicht für die Modernität seiner Zeit, sondern für die Selbstverständlichkeit, mit der diese (post) Modernität einst funktionierte.
Wer ihn betritt, betritt weniger ein Gerät als ein Narrativ:
das 20. Jahrhundert — nicht als Theorie, sondern als Ding.
Ein Stück Zeit, das weiterarbeitet, während wir darüber (nicht) nachdenken.
Vielleicht ist das die eigentliche Pointe:
Der Aufzug ist echte Kunst.
Ein Objekt, das man ansieht —
und ein Objekt, das einen bewegt.
Im wörtlichsten und im innersten Sinne.
Er bringt uns weiter, hebt uns ein Level höher
oder führt uns in die tieferen Etagen des Seins —
manchmal zu den Abgründen, manchmal zum Licht.
Ein Jahrhundert, das man betreten kann.
Butterland – Stulle, Hörnchen, Hand in Hand
Butter schmeckt besser, wenn man sie teilt, das wissen auch Waldbewohner mit Sinn für Gemütlichkeit. Genau darum geht’s bei „Butterland – Stulle, Hörnchen, Hand in Hand“. 🧈🐻🥐
Im Faulmanniversum gibt es Orte, die betritt man nicht mit Stempel und Schranke, sondern mit Gewohnheiten. Butterland ist so einer. Da kommst du nicht mit Pass rein, sondern indem du etwas aufs Brett legst. Du reist nicht per Ticket, sondern per Stulle, die rumgeht. Und statt einer pathetischen Hymne gibt’s diesen völlig faulmanesken Satz:
„Kein Tamtam im Ofenrohr.“
Butterland ist ein Ort zwischen croissant-esker Frühstücksromantik und bodenständiger Brotzeit – und irgendwo dazwischen stehen Hahn, Schnecke und Brezel und sagen: „Wir gehören auch dazu.“ Es ist genau diese Mischung aus „Wir können das hübsch machen“ und „Wir müssen auch satt werden.“
Butterland – Stulle, Hörnchen, Hand in Hand.
Faulmann und die Gestalt der Dinge
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Der Morgen am Flughafen war kurz und stürmisch. Der Geruch von warmem Öl und Kerosin lag in der Luft. Ein schneller Kaffee auf der Aussichtsplattform. Hier kann man sonst auch mal Stunden verbringen, den Fliegern beim Starten und Landen zusehen – den Planespottern beim Klicken und Prahlen –, aber dafür stürmt es heute zu sehr. Daher schnell in die S-Bahn Richtung Innenstadt. Der Kapitän – das Klapprad neben sich, die Gedanken noch irgendwo zwischen Startbahn und Schlaf – fährt zum MAK, dem Museum für Angewandte Kunst. Dort will er sich die Ausstellung zu Kunst und Design ansehen – und findet sich, ganz unerwartet, in einem anderen Zukunftsversprechen wieder.
Es ist still. Nur der Boden hallt leise unter den Sohlen. Im weiten weißen Vorraum steht er allein – der Mercedes-Benz 300 SL, Gullwing, Flügeltürer, Ikone. Seine Linien sind glatt wie gespannte Muskeln, sein Chrom spiegelt das Licht der Halle. Faulmann bleibt stehen, fast andächtig. „Ein Tier aus Metall“, denkt er. „Geboren aus Geschwindigkeit und Sehnsucht.“ Auf dem Schild daneben liest er: „Sensation der Straße“, „Designlegende des 20. Jahrhunderts“. Und tatsächlich – das Ding hat etwas Lebendiges. Nicht nur, weil es glänzt, sondern weil es etwas erzählt: von Träumen, Technik und dem menschlichen Willen, Schönheit in Bewegung zu übersetzen. Der Bär tritt einen Schritt zurück. Hinter diesem Auto, ahnt er, beginnt etwas Neues – eine Geschichte, in der das Nützliche plötzlich schön sein darf und das Schöne sich mit Schrauben befestigen lässt.
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Vom Werkbund fast bis zum Weltraum
Es begann, wie so oft, mit der Maschine. Mit Zahnrädern, Dampf und dem großen Traum, dass alles schneller, billiger, besser werden würde. Doch irgendwo zwischen Werkbank und Warenhaus wurde ein neuer Gedanke geboren: Wenn schon alles industriell, dann wenigstens schön. Der Deutsche Werkbund war eine solche Geburtsstätte: Architekten, Unternehmer, Künstler suchten gemeinsam nach einer neuen Ästhetik für das industrielle Zeitalter. Dinge sollten nicht nur funktionieren, sondern auch würdig sein – ein Werkzeug des Alltags und zugleich ein Ausdruck einer neuen Welt. Faulmann sieht einen kleinen, perfekt geformten Löffel aus Chromnickelstahl. Schlicht, ehrlich, effizient – und dennoch voller Würde. „Ein Werkzeug für die Zunge“, denkt er. „Und für den Geist.“
Zwischen Werkbank und Vision
Zwischen Werkbund und Weltraum liegt eine Schule – das Bauhaus. Keine Kathedrale, sondern eine Werkstatt des Denkens. Hier lernte die Form, Verantwortung zu tragen, und die Linie, Haltung zu zeigen. Das Ornament wich der Ordnung, das Dekor dem Prinzip. Und so fand die Kunst zum Alltag zurück. Faulmann bleibt vor einem Stahlrohrstuhl stehen, kühl und ehrlich in seiner Geometrie. „Schönheit“, murmelt er, „entsteht, wenn ein Gedanke praktisch wird.“ Im Bauhaus war das kein Stil, sondern eine Ethik: Dinge sollten nicht mehr herrschen, sondern dienen – und gerade darin frei werden. Vielleicht, denkt er, begann dort die leise Ahnung, dass Gestaltung mehr ist als Oberfläche – ein Versuch, dem Überflüssigen mit Haltung zu begegnen.
Die Welt wird Fläche
Eine Etage weiter dann – rote Quadrate, gelbe Rechtecke, schwarze Linien auf weißem Grund. Mondrian, De Stijl. Faulmann ist irritiert und fasziniert zugleich. Das Chaos der Welt gebändigt in Geometrie? Die Zukunft als Raster aus Primärfarben? Doch während er den Blick entlang einer asymmetrischen Vitrine gleiten lässt, wird ihm klar: auch das ist Design. Nicht Dekor, sondern Weltanschauung. Eine Sehschule. Vielleicht war das die moderne Form der Meditation.
Materialwunder und Mondlandung
Und doch bleibt etwas vom Werkbankstaub an den Sternen haften. Bakelit, Catalin, Aluminium – es klingt fast wie ein Zauberspruch. Früher war es Holz, heute Plastik, und morgen vielleicht Luft. Aber schön sind sie, diese alten Radios, diese glattpolierten Stühle, diese Träume vom Fortschritt. Dann kam der Sputnik. „Space Age is here!“, rief der Daily Express, und Faulmann stellte sich vor, wie der erste Ball Chair durchs All schwebt. Die Erde als Designobjekt – und der Mensch mittendrin, mit Glashelm und Fernsehblick.
Zwischen Orion und Enterprise Orion brachte den Weltraum in die Wohnzimmer, Star Trek in die Köpfe. Beide Serien träumten von Technik, die auch Ethik kennt – und von einer Zukunft, die sich nicht fürchtet, weil sie Verantwortung trägt.
Zwischen Ordnung und Übermut
Jede Epoche scheint ihr eigenes Gleichgewicht zu suchen zwischen Kontrolle und Chaos. Der Begleittext spricht von Mid-Century Modern – Schwarz, Weiß, Rot und Gelb, klare Linien, klare Ansichten. Dann vom großen Knall der Pop-Art: Suppendosen werden zu Ikonen, Sofas zu Skulpturen. „Die Spezialisierung tötet die Phantasie“, liest Faulmann und nickt. In den Siebzigern wird das Denken bunt, in den Achtzigern elektronisch, neon-grell, in den Neunzigern nachhaltig-naiv optimistisch. Aus Maschinenmöbeln werden Smart Devices, das Design wird zum Produkt. Und irgendwo zwischen Bakelit und Bubble Chair erkennt Faulmann die alte Wahrheit des Waldes: Alles, was lebt, gestaltet – und alles Gestaltete lebt ein Stück weiter in uns. Das überzeugt, insbesondere weil er auf die ersten Stücke trifft, die er selbst besessen hat.
„Vielleicht ist Design ja nichts anderes“, murmelt Faulmann, *„als die Kunst, den Dingen das Schweigen beizubringen – damit sie uns zuhören. Heute mehr denn je.“
Jedenfalls ist diese Ausstellung – und damit der erste Teil des MAKK, den der Bär besucht hat – mehr als einen Besuch wert. Eine wunderbar inspirierende Tour de Force durch ein Jahrhundert Design – so klug, verspielt und anregend, dass Faulmann wohl wiederkommen muss.
Sputnik und der Traum vom Morgen
Faulmann hat sich zum Durchatmen im Vorraum des MAKK niedergelassen – auf einem erstaunlich bequemen Sitzmöbel mit Anschluss für Handy, Computer und Gedanken. Draußen sieht man den Herbst hinterlistig herumlungern, und ihm kommt wieder einer der Texte aus der Ausstellung in den Sinn:
„Nachdem 1957 der russische Satellit Sputnik I in den Weltraum entsendet worden war, titelte die britische Boulevardzeitung Daily Express: ‚Space Age is here!‘ … Der finnische Designer Eero Aarnio entwarf mit dem Ball Chair und dem von der Decke herabhängenden Bubble Chair die spacigsten Sitzmöbel dieser Zeit … Die Düsseldorfer Künstlergruppe ZERO machte das Licht selbst zum Material.“
und weiter:
„ZERO, so Otto Piene, war ‚eine Zone des Schweigens und neuer Möglichkeiten … das Countdown vor dem Raketenstart‘.“
Faulmann lächelt. Ein Countdown – genau jener Moment, in dem noch nichts geschieht und doch schon alles begonnen hat.
Die Stille vor dem Denken
Diese Zone des Schweigens bewegt etwas. Sie erinnert ihn an das Gegenwärtige, wo alles zu sprechen scheint: Gesetze, Modelle, Systeme. Mal wieder will man das Unbestimmte ordnen, zertifizieren, einhegen. Und doch, bemerkt er, liegt der Clou gerade darin, dass es nicht das “begreifbare” betrifft, sondern das, was sich dem einfach Auflistbaren entzieht: jene Systeme, die inferieren, lernen, anpassen – also dort operieren, wo einfache Determinismen enden.
Das Gesetz versucht, das Nicht-Offensichtliche regelhaft zu erfassen. Es markiert das scheinbare Entgleiten als Risiko – und macht aus der Offenheit des Denkens ein administratives Problem. Was in der Kunst eine Zone der Möglichkeiten war, wird in der Politik und Jurisprudenz zur Zone der irrationalen Aufsicht.
Hier, zwischen Lichtobjekten und weißen Wänden, spürt Faulmann den Unterschied zwischen zwei Arten des Wissens: dem ontologischen, das fragt, was etwas ist – und dem epistemischen, das nur fragt, was sich über etwas sagen lässt. Verordnungen versuchen, Intelligenz nicht als Sein, sondern als Regelbarkeit zu denken. Sie stellen Ordnung über Einsicht, Kategorisierung über Verständnis. Und so wird das Denken selbst zu einer Ausnahme vom technischen Protokoll degradiert: un-intelligent, solange es klassifizierbar bleibt – un-un-intelligent und verdächtig, sobald es sich dem entzieht.
Ein Bär und die Gehirne
Faulmann war nie “bloß” Spaziergänger, Radfahrer, Museast oder Poet. Einige Jahre seines Lebens hatte er – fast gegen sein Naturell – Gehirne als dynamische Systeme studiert: ihre Strukturen, ihre (nicht)linearen Muster, ihre Versuche, sich selbst zu begreifen. Was er dabei lernte, war weniger Wissen als Demut. Denn je tiefer man in die Windungen des Denkens vordringt, desto deutlicher wird: Intelligenz ist nicht nur Mechanismus, sondern auch ein Raum – ein Topos zwischen Offenheit und Irrtum. Sie lässt sich nicht definieren, ohne zu verschwinden. Das wird einem eigentlich schon klar, wenn man bedenkt, was das kleine Wort de-fin-ieren eigentlich meint. Und da ist es recht egal, ob man vor das Wort mit I noch artificial schreibt.
Das Paradox der Ordnung
Vielleicht, denkt er, ist das der eigentliche Witz unserer Zeit – dass ausgerechnet! jene, die Intelligenz verwalten wollen, sie dabei verlieren. Denn wer das Intelligente ganz bestimmen möchte, verbannt es vermutlich aus dem Bereich des Lebendigen. Das epistemisch Ordnende, das sich für vernünftig hält, wird ontologisch dumm: verlässlich, berechenbar, unbelehrbar. Er muss lächeln. Zwischen den glänzenden Oberflächen der ZERO-Objekte spiegelt sich dieses Paradox – wie Licht, das man zu fassen versucht, und das doch erst sichtbar wird, wenn man es nicht hält.
„Nur wer dumm genug ist, will wissen, was Intelligenz sei. Wer’s wüsste, hätt sie schon verloren.“
Vom leuchtenden Morgen zur Neon-Nacht
Und irgendwann viel später, lange nach Sputnik und der Mondlandung, erinnert sich der Kapitän gab es einen jungen Faulmann in den achtziger und neunziger Jahren, der vor dem flimmernden Bildschirm saß: Raumpatrouille Orion und Star Trek. Zwei Visionen des gleichen Wunders – Technik als Bühne der Hoffnung. Raumpatrouille Orion lief da längst in Wiederholungen, Star Trek schien aus einer anderen Galaxis, und doch berührten beide denselben Nerv: die Sehnsucht, dass Zukunft mehr sei als Fortschritt. Star Trek legte noch etwas dazu – die Ahnung, dass Technik und Ethik eines Tages in dieselbe Richtung weisen könnten, insbesondere in der damals neu aufbrechenden nächsten Generation.
Faulmann denkt an jene Zukunftsbilder zurück (<- interessant, dass man das kann, denkt er gleichzeitig) – an die glatten Oberflächen, die hellen Kommandobrücken, die Gewissheit, dass Fortschritt auch Verantwortung bedeuten könne. Orion, Enterprise – sie waren sauber, optimistisch, fast pastoral. Der Mensch reiste ins All, um zu verstehen, nicht um zu entkommen.
Doch irgendwann drehte sich das um – nicht nur in der Welt, auch in Faulmanns Medienkonsum. Aus Chrom wurde Neon, aus Vision Dystopie. Die glänzenden Raumschiffe wichen den Schattenstädten des Cyberpunk, die Zukunft roch plötzlich nach Ozon, Öl und Angst. Das Design der Sechzigerjahre sprach von Hoffnung, das der Achtziger von Erschöpfung – als hätte man den Traum von der Zukunft gegen den Verdacht eingetauscht, dass Technik uns längst überholt. Irgendjemand scheint das als Anleitung verstanden zu haben. Derweil stecken wir in einer fünfzig Jahre alten Dystopie fest – und merken nicht, dass wir längst einem Grayschen Prinzip folgen: Zukunft als Remake der Enttäuschung, während wir uns, ganz wie Johns Namensvetter Dorian, rückwärts durch die Zeit bewegen.
Null ist kein Nichts
Draußen tropften Blätter von den Bäumen, als Faulmann durch die Glasfront blickt. „Zero“, denkt er, „ist kein Nichts. Es ist der Moment, bevor etwas wird.“ So wie der Countdown kein Schweigen ist, sondern gespannte Möglichkeit. Wie Intelligenz nicht im Ergebnis liegt, sondern im Finden des richtigen Fragens. Und wie jedes wirklich neue Denken beginnt hoffentlich auch das diesmalige – nicht mit Wissen, sondern mit dem Mut, noch keine Antwort zu haben, und manchmal wohl leider mit Regression.
Faulmann bleibt noch einen Moment sitzen. Vielleicht, denkt er, hat sich das Design der Dinge nur unserem Denken angepasst – es spiegelt, wie wir sehen: einst nach vorn, heute zur Seite, auf Reflexion bedacht und auf Rückversicherung programmiert.
Und doch, tief in ihm, glimmt etwas von jener alten Farbe der Zukunft: ein mattes, aber treues Blau. Nicht das rückwärtsgewandte Blau – das in Wahrheit aus braunen, stillstehenden Herzen stammt –, sondern das optimistische Blau des Kollegen, der um die Ecke grüßenden orangefarbenen Maus, und das der dynamisch pulsierenden Warpkerne, die uns superreal schnell dorthin bringen, wo nie zuvor ein Mensch gewesen ist – vielleicht sogar zu sich selbst.
Faulmann, im Herbst 2025 – zwischen Neon und Blau.