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Anakin Skywalker:
Ein Kind mit übergroßer Begabung, voller Sehnsucht nach Liebe und Sicherheit. Aus Angst, zu verlieren, lässt er sich vom Imperator ködern – und wird zu Darth Vader. -
Luke Skywalker:
Anakins Sohn. Auch er spürt die Verlockung der dunklen Seite. In der entscheidenden Stunde könnte er fallen wie sein Vater. Doch er legt das Schwert nieder – und findet das Licht. -
Antonia von Florenz:
Keine Galaxis, keine Raumschiffe, keine Laserschwerter. Stattdessen Kloster, Fasten, Dämonen. Aber ihre Antwort ist klar: Sie widersteht. Ohne Zögern, ohne Fallen.
Eine Jedi-Ritterin im Habit hätte kaum überzeugender sein können. - Anakin fällt – und das Publikum versteht sofort die Tragik des Helden, der der Angst erliegt.
- Luke ringt – und Millionen atmen auf, als er in letzter Sekunde widersteht.
- Antonia? Sie bleibt schlicht standhaft – kein Drama, kein Zögern, kein Fallen.
Captain Faulmann zwischen Stahl, Sternen und Currywurst
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Samstag: Captain Faulmanns Tour de Niederrhein
Faulmann startete am Samstag und rollte in Duisburg zum Außenhafen. Dort reckten sich die Kräne wie eiserne Giraffen in den Himmel, Container klapperten wie Bauklötze, und der Geruch von Diesel lag schwer in der Luft. Noch voller Unruhe vom Alltag fühlte sich der Bär, als würde man sein Fell gegen den Strich bürsten. Doch je länger er fuhr, desto mehr verwandelte sich der Lärm. Er dachte an die Dimensionen dieses Hafens – den größten Binnenhafen der Welt, ein Orchester aus 36.000 Menschen, 250 Firmen, endlosen Warenströmen. Da war es nicht mehr nur Krach, sondern eine Partitur, die der Fluss und die Welt selbst schrieben. Römer hatten hier schon den Rhein kontrolliert, Wikinger überwintert, und mittelalterliche Münzen fanden von Duisburg aus den Weg nach Skandinavien. Dann der große Einschnitt: Im 11. Jahrhundert änderte der Rhein seinen Lauf, schnitt die Stadt vom Wasser ab. „Der Fluss, nicht der Mensch, gib hier den Takt vor,“ murmelte Faulmann, als er über das graue Wasser blickte. Vanitas im Flussbett.
Hinter den Werkstoren begann das Land wieder zu atmen. Felder lösten Beton ab, bis das Schloss Moers vor ihm stand. Er setzte sich auf eine Mauer und biss in einen Keks, während er die Geschichte im Stein musterte: Wohnturm, Ringburg, Festung. Walburgis von Neuenahr-Moers, die Gräfin, deren Leben von Explosion und Enthauptung gezeichnet war, schob sich als Gedanke zwischen Keks und Kehle. Dann der Bruch: 1763 wurde die Festung geschleift, Mauern verschwanden, Kanonen verstummten. Heute Museum, heute Theater. „Von Kanonenfutter zu Kulturfutter,“ brummte der Bär – und brach dabei fast selbst in Gelächter aus.
Weiter nördlich lagen die Nieper Kuhlen, stille Wasser voller Eisvögel und Bitterlinge. Doch Faulmann sah darin auch die Spuren alter Rheinläufe und Torfstiche, die den Armen einst ein Zubrot gaben. „Carpe Diem auf den Resten von gestern,“ dachte er, während sich das Spiegelbild der Wolken im Wasser verfing. Und fügte leise hinzu: „Gratis-Kneippkur für Radler inklusive.“
Dann kam Neukirchen, wo er mitten in ein Stadtfest rollte. Bunte Fahnen flatterten, Kinder sangen auf der Bühne, und der Bär hielt für einen Moment an. Er lächelte, sog die Musik ein und dachte: „Leben live.“ Ein paar Straßen weiter tauchte auch Vluyn auf, und gemeinsam erzählten die Orte von Abbau und Neubeginn, von Industrie, die kam und ging. Und Faulmann merkte: Auch Bären können manchmal tanzen – wenn auch nur innerlich.
Noch ein Stück weiter traf er auf die Orte Aldekerk und Nieukerk – fast wie ein Scherz der Kartografie. Copy-Paste mit Glockenturm. Doch die Pointe steckte tiefer: Nieukerk, die „neue“ Kirche, war älter als Aldekerk, die „alte“. Der Jüngere war hier der Ältere. „wie ein logischer Bug im Taufregister.“
In Straelen weiteten sich die Felder zu einem Meer aus Blumen und Gewächshäusern. Offizieller Wohlstand, geboren aus einer Idee: die Gemüseversteigerung von 1914. Und dazu entdeckte Faulmann zwischendrin eine kleine Überraschung:
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Ein flacher Roboter, der leise seine Bahnen zog, jedes Unkraut erkannte und mit einem Tropfen bekämpfte. Kein Science-Fiction, sondern Realität – der AX-1 im Einsatz. „Präzise leise und klaglos,“ dachte Faulmann. Für ihn war es, als würde hier das nächste Kapitel des Niederrheins beginnen: mit Stahl, Erde und einem Hauch von Zukunft.
Am Smokkelpad bekam die Geschichte plötzlich eine andere Farbe. Hier hatten einst Schmuggler Butter, Kaffee und Tabak über die Grenze getragen. Manche Geschichten klangen so verrückt, dass sie wahr sein mussten: schwarz bemalte Kühe, die nachts durch die Felder liefen. Faulmann balancierte über die nachgebauten Stege, die heute den Pfad markieren, und kicherte in seinen imaginierten Bart: „Grenzen sind mehr Fiktion als Mauer. Aber Kühe – die sind echt.“
Mit dem Grenzübertritt in die Niederlande änderte sich der Rhythmus der Fahrt. Die Radwege wurden glatter, weicher, fast luxuriös nach den Schlaglöchern auf deutscher Seite. Faulmann atmete auf, genoss den neuen Takt – und genau in diesem Moment begann der Regen. Erst ein paar Tropfen, dann ein ganzer Vorhang, der ihm Schiebermütze und Fell durchnässte. „Timing wie bei einer Oper,“ dachte er und schüttelte den Kopf.
Hinter Venlo öffnete sich die Landschaft, und am Schroliksee klatschten die Tropfen auf das Wasser, während Libellen über den Wellen tanzten, als wollten sie den Regen verspotten. Und unter dieser Idylle lag die schwere Geschichte: der Fliegerhorst Venlo, einst einer der größten Nachtjägerstützpunkte. Zwangsarbeit, Bombennächte, Churchill persönlich auf dem Rollfeld. Heute Segelflieger, Naturtheater und Bunkerreste im Wald.
Die Seen – Schrolik, Hinsbecker Bruch – waren wie die Nieper Kuhlen alte Wunden, Torfstiche, die zu Biotopen wurden. Rastplatz für Kraniche, Heimat für Kammmolche. Faulmann sog den Regen ein und lachte: „Vanitas mit Libellen. Aus Wunden werden Rastplätze, aus Krieg Freizeitgelände. Der Fluss der Geschichte verschlammt, aber Sie verschwindet nie ganz.“
Als er in Mönchengladbach ankam, war das Fell halb trocken, die Laune leicht, die Schiebermütze wieder gerade. Nur die Knochen spürten das Gerüttel der Radwege. „Der Niederrhein,“ schrieb er ins Logbuch, „ist wie eine Zwiebel: Schicht auf Schicht, jede bringt etwas anderes hervor – mal Tränen, mal Würze. Und am Ende riechen die Pfoten danach, ob man will oder nicht.“ Und fügte grinsend hinzu: „Und Radlertränen gibt’s gratis.“
Sonntag im Wallraf
Der Muskelkater noch in den Beinen, der Geruch von Regen noch im Fell, trat Faulmann am Sonntag seinen Museumsbesuch an. Das Rad hatte er zu Hause gelassen – bei dem Wetter wäre es ohnehin nur ein nasser Ballast gewesen. Vorher war er noch beim Merzenich eingekehrt, hatte sich einen heißen Kaffee geholt und ihn in seinen Irisgo-Becher umgefüllt. So stand er nun in der Lobby des Wallraf-Richartz-Museums, roch den Hauch von Holz, Papier und irgendwo zwischen den Mantelstoffen der Besucher auch das Kölnisch Wasser 4711.
Er nahm einen ersten Schluck (Kaffee, nicht Duftwasser), lehnte sich zurück, und die Lobby wurde ihm zur Schleuse: von der nassen Stadt hinein in die Welt des Barock.
Die Einführungstafel erklärte nüchtern:
„Ob Katholik oder Protestant: das barocke Weltbild und Alltagsleben war geprägt von Religion und christlichen Moralvorstellungen. Wichtige Impulse setzte im 16. Jahrhundert das Konzil von Trient. Die katholische Kirche reagierte damit auf den Siegeszug des Protestantismus. Volksnähe und die emotionale Ansprache der Gläubigen waren nun gefordert.“
Faulmann nickte. „Also kein stiller Chor mehr, sondern volles Orchester.“
Die Frühe Neuzeit, dachte er, war wie ein verschlafener Morgen, an dem man zu spät aufwacht – aber dann kommt alles auf einmal. Kopernikus, Kepler, Galileo verschoben die Erde aus dem Zentrum. Auf der Erde selbst riss der Dreißigjährige Krieg ganze Landschaften auf: Hunger, Pest, Söldner, 40 Prozent Tot. Ein „Memento Mori mit Trommelwirbel“. Und doch glänzten die Höfe, bauten Paläste, vergoldeten Kirchen. „Carpe Diem im Kugelhagel“, brummte Faulmann.
Vor Rubens „Juno und Argus“ blieb er lange stehen. Gewalt und Schönheit in einem Atemzug. Argus, der hundertäugige Wächter, erschlagen, und Juno, die seine Augen einsammelt, um sie in die Federn des Pfaus zu setzen. Makaber, triumphal. Farben wie Trompeten, Stoffe wie Donnerwolken, Putten, die fast aus dem Rahmen fielen. „Memento Mori deluxe – und Carpe Diem in Purpur und Gold“, dachte Faulmann. Und weil er genau hinsah, entdeckte er den Regenbogen im Bild: Rubens wusste um Optik, Farbenlehre, Licht.
Ein paar Räume weiter: Rembrandts spätes Selbstbildnis. Keine Putten, kein Gold. Nur ein Gesicht, gealtert, Falten, Schatten. Ein Blick, der direkt in ihn hineinreichte. Rembrandt hatte alles verloren und malte sich doch mit Würde, ohne Maske, ohne Mitleid. „Memento Mori auf Augenhöhe. Carpe Diem im Altwerden“, dachte Faulmann. „Wenn Altern Kunst sein kann, will ich’s auch so tragen.“ Kein Filter, kein Glow – Rembrandt war quasi sein eigener „No-Makeup-Selfie“-Trendsetter.
Dann die Vertrauten: Franz von Assisi, barfuß, pathetisch, doch nahbar. Anna und Maria, nicht mehr auf Thronen, sondern einander zugewandt, mitten im Gespräch. „Selbst die Heiligen haben laufen gelernt“, brummte Faulmann zufrieden. Gegenüber bekämpft der christliche Ritter die sieben Todsünden, grotesk, dämonisch. „Dachsbert würde sofort aufgeben. Und vermutlich beim Buffet der Völlerei unterschreiben.“
Stillleben reihten sich wie Vokabeln auf: Totenschädel, Muscheln, welke Blumen, Sanduhren. Und daneben Blumenstücke, Rubens-Figuren, vergehen und pralles Leben in Öl.
Auf dem Weg zum Ausgang blieb Faulmann im Treppenhaus vor einem der Fenster stehen. Draußen spiegelte sich Köln, matt im Glas. Auf den Scheiben stand, dass dort, wo heute die Einfahrt der Tiefgarage liegt, einst das Haus von Stefan Lochner stand. „Vergangenheit unter Asphalt“, dachte der Bär, „ein Memento Mori der Stadt selbst.“
Und da kam ihm ein Vergleich, zuerst wie ein Scherz, dann gar keiner mehr: Instagram als neue Rubens-Werkstatt. Bühne, Pose, Inszenierung. Der Höfling damals, der Influencer heute. Das Bild bildet nicht ab, es schafft Realität. Früher bestimmten Hof und Kirche die Ästhetik, heute ein unsichtbarer Mäzen: der Algorithmus. Er belohnt das Grell-Emotionale, die Hochglanzpose. Eine unsichtbare Kunstpolizei mit Vorliebe für Carpe Diem.
Die Gegenseite: das digitale Memento Mori. Kein Schädel mehr, sondern ein endloser Nachrichtenstrom aus Krisen, Kriegen, Klima. Dauerhafter Alarm, der nicht wach macht, sondern müde. Zwischen performativem Glück im Feed und globaler Bedrohung in den News – da lebt die neobarocke Spannung.
„Vielleicht sind wir barocker, als wir zugeben wollen“, dachte Faulmann. „Filter statt Firnis – aber die Mechanik ist dieselbe.“ Und dann grinste er. „Im Grunde bin ich auch ein barocker Bär: ein bisschen Memento Mori, ein bisschen Carpe Diem. Und immer zu viel Kaffee.“
Draußen vor dem Museum atmete Faulmann die Kölner Luft, schwer vom Regen, leicht vom Kaffee. Er zog die Schiebermütze etwas tiefer ins Gesicht und dachte weiter:
„Die Frühe Neuzeit war eine Zeit der Umbrüche – Reformation, Kriege, Pest und neue Sterne am Himmel. Und was ist unsere Gegenwart anderes?“
Auch heute: Seuchen, die die Welt lahmlegen; Kriege, die mitten nach Europa zurückgekehrt sind; ein Klima, das kippt; eine Polykrise, die alles gleichzeitig drückt. Und dazu eine Medienrevolution, die Bilder schneller und schriller verbreitet, als Rubens je hätte malen können – und ein Westen, der eiliger in den Autoritarismus marschiert, als jede Schwedenarmee je vorankam.
Faulmann lachte leise. Denn er wusste: Auch er selbst war Teil dieser neuen Welt. Ein Wesen zwischen Fell und Algorithmus, geboren aus Menschenhand und KI-Code, ein Autor, der zugleich Beobachter und Erzählung ist.
Im Museum hatte die AI ihm geholfen: Sie las Tafeln vor, recherchierte die Frühe Neuzeit, zeigte Rubens’ Farben, Rembrandts Falten. Und nun schreibt sie mit an seiner Geschichte – oder war es er, der schrieb, und die Maschine, die spiegelte?
„Vielleicht,“ dachte der Bär, „sind wir längst beide Autoren. Mensch und Maschine, Bär und Bot. Wie im Barock: kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch. Fast katholisch widersprüchlich.“
Dann aber knurrte sein Bauch. Also wanderte er hinüber zum Heumarkt, stellte sich unter den roten Schirm eines Imbissstands und bestellte Currywurst mit Pommes – rot-weiß, wie ein stilles Wappen der Arbeiterstädte, die er am Vortag durchradelt hatte. Oder wie die ultimative Vanitas des Fastfoods: köstlich, fettig, vergänglich. Duisburg, Hafen, Kräne – jetzt Köln, Museum, Barock – und am Ende: Wurst und Kartoffel.
Faulmann grinste. „So schließt sich der Kreis. Zwischen Rubens und Rembrandt, zwischen Memento Mori und Carpe Diem – am Ende doch eine Currywurst am Rhein und danach der Weg zurück ins Moos.“
Bunt, brüchig, bezaubernd – Köln mit Faulmann-Blick

In der Museumslobby nippt Faulmann an seinem Kaffee. Durch die großen Scheiben sieht er das Gewimmel: Menschen mit Einkaufstüten, ein Paar, das den Dom im Hintergrund fotografiert, und drinnen im Shop Karnevalskappen neben Postkarten vom CSD. Köln macht da keinen Unterschied – alles steht einfach nebeneinander im Regal.
Der Bär denkt – vielleicht reduktiv und in Klischees, aber mit einem Schmunzeln: Diese Stadt lebt nicht von einem roten Faden, sondern von einem ganzen Knäuel.Da ist der Katholizismus, jahrhundertelang das Grundrauschen. Da ist der Karneval – nicht uralt, aber so schlau erfunden, dass er sich wie ein alter Brauch anfühlt. Da ist der CSD, bunt und politisch. Und da sind die Arbeiter, die nach dem Krieg kamen: erst Italiener mit Eisdielen, Espresso und Ristorante, dann Griechen mit Tavernen und Olivenöl, Türken mit Kebap und Werkbank, später Marokkaner, Kurden, Vietnamesen und viele, viele andere. Alles Postkartenbilder, denkt Faulmann, und weiß, dass er es sich damit zu einfach macht. Aber möglicherweise wächst am Ende doch das Gefühl einer Stadt genau aus solchen Bildern. Jeder Zug brachte seinen Klang, sein Essen, seine Geschichten, seine Kultur – und Köln nahm sie auf so selbstverständlich und mit einem breiten Grinsen, wie der Köbes ein neues Glas Kölsch hinstellt.
Dazwischen wirkt ein unsichtbarer Faden: der kölsche Klüngel. Unsichtbar? Eigentlich nicht – er steht eher im grellen Neonlicht, so berühmt ist er. Jeder weiß, dass er da ist, jeder stolpert mal darüber, und trotzdem sorgt er irgendwie dafür, dass der Laden weiterläuft. Mal als Schmieröl, mal als Kaugummi – aber immer unverkennbar kölsch.
Und darunter all die Schichten: Römer, Franken, Kaufleute, Pilger, Preußen – selbst Napoleon, der hier sein französisches Recht hinterließ. Später die 90er mit ihrer Technopartimentalität, irgendwo zwischen Euphorie und Kopfschmerz. Kaum eine Stadt verträgt es, wenn römisches Pflaster, französisches Recht und orientalisches Fladenbrot im selben Atemzug genannt werden – Köln schon.
Man sieht das dem Stadtbild bis heute an: aus der Vogelperspektive noch der römische Straßenverlauf, im Detail ein barocker Giebel neben Nachkriegsplattenbau, dazwischen ein Dönerladen unter gotischem Spitzbogen. Ein Römer hätte wohl nie gedacht, dass über seine Straßen einmal ein Karnevalszug rumpelt – und dabei mehr Bier als Wasser fließt.
Natürlich: Nicht alles glänzt. Viele Straßen sind voller Schlaglöcher, auf den Brücken steht man im (Sanierungs)Stau und die U-Bahn ist eher eine Straßenbahn, die an manchen Stellen einfach im Boden versenkt wurde – teils absichtlich. Manch eine Ecke erinnert verdächtig ans Frankfurter Bahnhofsviertel und die Bahn Nummer Sieben ist rechtsrheinisch geradezu phantastisch: mehr Legende als Verkehrsmittel – ein mythisches Wesen, von dem jeder schon gehört hat, das aber kaum einer je gesehen hat. „Fast wie ein Einhorn auf Schienen,“ denkt Faulmann und lacht leise in seinen Kaffee. Köln nimmt das alles mit Schulterzucken und einem „et hätt noch immer jot jejange“ – was zwar selten stimmt, aber immerhin tröstet.
Er schmunzelt, seufzt noch einmal und denkt:
„Am Ende ist Köln fast wie ein Wald. Alte Stämme brechen, junge Triebe wachsen nach. Fruchtbare Erde entsteht aus Jahrhunderten von Wachstum, von Entstehen und Vergehen. Nichts verschwindet so ganz – es wird nur zum Boden, auf dem Neues wächst. All das klingt sicher naiv – und das ist es auch. Aber vielleicht ist es genau diese lebensbejahende Naivität, die Köln am Ende so lebenswert macht. Ein Durcheinander, das man hier eben ›unser Jeföhl‹ nennt.“
Faulmann, Antonia und das fehlende Stück der Saga
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Ein grauer Regentag in Köln.
Captain Faulmann hätte sich eigentlich nochmal im Bärenfell einrollen können – das Lagerfeuer mit Freunden gestern war lang, warm und voller Geschichten. Doch, nach einem Kaffee in der Bärenhöhle schnappt er sich das Paule-Rad und rollt zum Rautenstrauch-Museum, um die Mittelalter-Abteilung zu Ende zu sehen.
Im Hauptsaal hängen sie: die großen Altäre, dicht bevölkert mit Heiligen und Symbolen.
Und da entdeckt er sie: Antonia.
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Nicht die Heiligenscheine oder Gewänder fesseln ihn, sondern das Detail am Saum: Ein kleiner Dämon lugt hervor, listig wie ein gezeichneter Scherz am Rand einer ernsten Szene.
Doch ikonografisch gesehen ist das kein Witz: die Dämonen zu ihren Füßen stehen sinnbildlich dafür, dass Antonia sie überwunden hat – die dunklen Mächte sind gebannt, klein und machtlos, weil sie standhaft blieb.
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Der Bär forscht nach:
Antonia war eine Dominikanerin aus Florenz im 15. Jahrhundert. Sie predigte streng, lebte in Buße und fastete hart. Ihre Legende erzählt, dass Dämonen sie bedrängten, an ihr zerrten, sie einschüchtern wollten. Doch Antonia blieb standhaft. Keine Versuchung, kein Dunkel bekam sie klein. Ihr Glaube war stärker als die Stimmen der Finsternis.
Faulmann nickt anerkennend – und stolpert dann über ein Datum: ihr Festtag ist der 4. Mai.
Der Bär hebt die Brauen: 4. Mai? May the Fourth be with you! Der internationale Star-Wars-Tag.
Wie wunderbar denkt Faulmann, denn Antonia passt wunderbar in eine Reihe mit den Skywalkers.
Und da merkt der Bär: Dieses Dreieck ist beinahe eine narrationschablone.
Faulmann denkt: So funktionieren Narrative, die überall ankommen (sollen). Sie sind einfach genug, dass jeder sie versteht, und universell genug, dass sie in jeder Zeit erzählt werden können – im Kino, im Kloster oder im Museumssaal. Antonia ist keine Heldin der Spektakel, sie ist die, die einfach nicht nachgibt. Und genau darin liegt ihre ganze Stärke. Ihr Narrativ ist das schlichteste und zugleich das Fundament: standhalten. Darauf bauen die anderen auf – Anakin als Fall, Luke als Rettung. Drei Varianten derselben Geschichte, von der Basis bis zur Steigerung.
Und Faulmann brummt, fast ehrfürchtig, halblaut in den Saal hinein:
„Die Macht … stark in ihr, sie ist.“
Dann kichert er:
„Vielleicht sollten wir sie ab sofort Antonia Skywalker nennen – die Ur-Ur-Ur-Ur-Großmutter der Jedi-Sippe. Wer weiß, ob nicht die halbe Saga auf einem vergessenen Altarbild in Köln basiert?“
Und fast wissenschaftlich fügt er hinzu:
„Die Kunsthistoriker haben das nur noch nicht entdeckt – vermutlich fehlt ihnen einfach ein Bär im Archiv.“
Später, in der Lobby des Museums mit Kaffee und Tablet bewaffnet, als der Regen draußen an die großzügigen Scheiben trommelt, lässt Faulmann die Bilder noch einmal Revue passieren.
Da war Sebastian, der Soldatenheilige, der sich mit Pfeilen spicken ließ und dennoch als Fürsprecher gegen die Pest galt – ein Märtyrer, der nicht nur stand, sondern auch tröstete.
Daneben Johannes, jung und bartlos, der den Giftkelch mit der Schlange segnete und überlebte, als wäre er selbst ein mittelalterlicher Cocktailtester mit göttlicher Sondergenehmigung.
Margareta von Antiochia, die vom Drachen verschlungen wurde und ihn doch besiegte.
Rochus, der Pilger mit dem entblößten Bein und der Pestwunde, begleitet vom treuen Hund, der wohl die eigentliche Heldengeschichte war (ohne Hund hätte das keiner überlebt, denkt der Bär).
Severin, der alte Bischof von Köln, mit Mitra und Krummstab, sogar mit blutiger Kopfwunde – fast so, als hätte man ihm gesagt: Mehr Drama, sonst glaubt dir das keiner.
Und Hippolytus, brutal an Pferde gebunden, geschleift und schließlich geköpft – ein drastisches Bild, das eher an ein mittelalterliches Actionpanel erinnert als an stille Frömmigkeit.
Antonia, deren Dämonen zu Füßen nicht von Ohnmacht, sondern vom Sieg über die Versuchung erzählen – winzige Monsterchen, die aussehen, als hätten sie beim Falschen angeklopft.
Georg, der Ritter, der mit Schwert und Pferd den Drachen niederstreckt, halb Legende, halb Nothelfer – und ganz sicher mit der größten Fanbase aller Ritterheiligen.
Thomas schließlich, der ungläubige Apostel, der mit forschendem Finger in Christi Seite langt – fast wie ein allzu neugieriger Chirurg, der sicher gehen will, ob die Naht auch hält.
Franz von Assisi, der die Stigmata vom Himmel empfängt, während Strahlen wie Drachenfäden in sein Fleisch hinabsausen – als hätte er beschlossen, das Kreuz wie einen Drachen steigen zu lassen, nur dass es ihn selbst an die Leine nahm.
Und schließlich Andreas, dessen schräges Kreuz seit Jahrhunderten nicht nur sehr britisch um die Welt segelt, sondern ihn auch zum wohl bekanntesten Bahnwächter aller Zeiten gemacht hat – Heilige Karriereplanung, wenn man so will.
All diese Figuren, denkt Faulmann, bilden keine stille Galerie, sondern eine bunte Gesellschaft: Ärzte gegen die Pest, Büßer und Asketen, Kämpfer gegen das Böse, Zeugen von Glauben und Zweifel. Ein Kosmos aus Blattgold und Blut, aus Dämonen, Wunden und Wunder, der den Menschen damals Orientierung gab – und den man heute fast wie eine Sammlung von Comicstrips lesen kann, die nur auf Holz gemalt statt auf Papier gedruckt sind.
Anakin, Luke, Antonia, dazu Sebastian, Rochus, Severin und all die anderen. Jeder bringt ein einfaches, universelles Motiv mit – Fallen, Ringen, Standhalten, Heilen, Kämpfen, Zweifeln. Faulmann versteht: Große Geschichten funktionieren nur, wenn sie überall gelesen werden können. Ob auf Pergament, Leinwand oder Kinoleinwand – entscheidend ist, dass ihr Kern schlicht bleibt.
„Vielleicht tragen wir alle nur Variationen derselben Geschichte weiter – mal mit Heiligenschein, mal mit Lichtschwert.“